Bewegung hilft bei Reisethrombosen

Dr. Barbara Arbes-Sertl

Ich muss gestehen, dass ich in unserer einschlägigen Literatur kaum etwas zum Thema „Bewegung bei Reisethrombose“ gefunden habe! Allerdings bin ich der Meinung, dass viele unserer „Ischias-Patienten“ in Wahrheit eine Reisethrombose haben!

Definition der Reisethrombose:

Vor Antritt der Reise frei von Beschwerden bezüglich einer frischen Thrombose an den UE
Reisedauer zumindest mehrere Stunden
Reisen vorwiegend in sitzender Position
Zeitraum zwischen Ende der Reise und Erstmanifestation der Symptomatik an einer UE darf
2 Wochen nicht überschreiten
DD: Individuelle und allgemeine Risikofaktoren:

a) individuelle Risikofaktoren:

  • Virchow´sche Trias:
  • Hyperkoagulabilität: vermehrte Perspiration und ungenügende, Flüssigkeitszufuhr
  • venöse Stase: durch bewegungsloses Sitzen Strömungsverlangsamung in den Beinvenen
  • Venenwandläsionen: anhaltende Abwinkelung des Kniegelenks – Knickung der V.poplitea als Strömungs- und Wandfaktor
  • älter als 40 Jahre
  • Varikositas, chronisch venöse Insuffizienz, thromboembolische Ereignisse in der Anamnese
  • Adipositas
  • Gravidität
  • Cardiale Insuffizienz
  • Thrombophilie
  • Fraglich orale Kontrazeptiva
  • Manifeste Malignome
  • Bein im Gipsverband, frisches Trauma
  • Rezenter operativer Eingriff

b) allgemeine Risikofaktoren:

langdauernder Bewegungsmangel (mehr als 5 Stunden)
sitzende Position mit abgewinkelten Knien: Druck durch längeres Sitzen auf Beinvenen – Abflußbehinderung des venösen Blutes aus den unteren Extremitäten, vorallem durch die „physiologische“ Einengung bzw. Knickung der Vena poplitea beim Sitzen (primär mechanisch verursachte Zirkulationsstörung); Blutstase führt zu hypoxischer Läsion der Endothelwand – intravasale Blutgerinnung = Thrombosebildung wird in Gang gesetzt.
Erniedrigter Sauerstoffdruck im Flugzeug (entspricht einem atmosphärischen Druck wie in 2000-2500 Metern Höhe: fibrinolytische Kapazität ist eingeschränkt; durch die Freisetzung von EDRF = „Endothelium Derived Relaxing Factor“ und Stickoxid kommt es zu einer zunehmenden Vasodilatation und damit zur Stase)
Verringerte Luftfeuchtigkeit (8-12% in der Kabine) führt zu Dehydratation; alkoholische Getränke und Coffein verstärken über eine vermehrte Diurese die Dehydratation
Sedativa und Tranquilizer gegen den Jetlag sind ein zusätzliches Thromboserisiko

Was kann man nach meiner Meinung durch „physikalische Maßnahmen“ prophylaktisch gegen die Reisethrombose („economy class syndrome“ oder „coach class thrombosis“) tun?

a) vor der Reise:

Gefäßtraining

Menschen mit sitzenden oder stehenden Berufen und Übergewichtige sind besonders gefährdet, eine chronisch venöse Insuffizienz zu bekommen. Bewegung ist ein wesentliches Element in der Vorbeugung und Behandlung von Krampfadern. Regelmäßiger Sport, insbesondere Ausdauersportarten wie z.B. Schwimmen, Laufen, Radfahren reduzieren die Gefahr, an einem Venenleiden zu erkranken; außerdem kann man so auch Übergewicht reduzieren.
Es gibt eine Arbeit von Weidinger und Bachl aus 1987 „Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin“ über die Therapie der Venopathien durch Gefäßtraining: 82 Patienten, 27 Männer und 55 Frauen mit einem Altersdurchschnitt um 50 Jahre, haben 4 Monate ein gezieltes venöses Gefäßtraining durchgeführt. Durch plethysmographische Bestimmung der Venenkapazität und der venösen Drainage vor und nach dem Trainingsprogramm sollte der Erfolg des Gefäßtrainings objektiviert werden. Es zeigte sich, dass bei einer Varicosis ohne klinische und hämodynamische Einschränkungen kein Trainingseffekt nachweisbar war. Venopathien mit deutlicher Tonusminderung, aber auch mit deutlicher funktioneller oder morphologischer Beeinträchtigung des Klappenapparates, sprachen jedoch gut auf das Training an. Als Erklärung für den Trainingseffekt wird einerseits eine Verbesserung des Venenwandtonus, andererseits eine Aktivierung der Muskel-Venen-Pumpe diskutiert. Bei schwerer venöser Insuffizienz scheint eine conditio sine qua non für den Trainingseffekt das Bandagieren bzw. das Tragen von medizinischen Kompressionsstrümpfen zu sein. Insgesamt konnte diese Studie zeigen, dass eine gezielte Belastung der Beinmuskulatur durch ein standardisiertes Gefäßtraining zu einer Verbesserung der venösen Hämodynamik führt. Diese Verbesserung ist prozentual um so ausgeprägter, je schlechter die venöse Ausgangssituation vor dem Training war.

 

Hydrobehandlung:

Es ist bekannt, dass die venöse Hämodynamik unter Kühlung deutlich besser wird! So erreichen Patienten mit degenerativen Venenerkrankungen schon durch wenige Minuten Hydrotherapie pro Tag eine eindeutige Verringerung ihrer subjektiven Symptomatik und auch längerfristig eine deutliche Reduktion des pathologisch gesteigerten speicherbaren Blutvolumens.
Druck und Blutvolumen der Beinvenen fallen unter Belastung ab, da so die hauptsächlichen Speicher entleert werden, die dem Kreislauf unter körperlicher Anstrengung eine größere Blutmenge zur Verfügung stellen können. Eine weitere wesentliche Funktion, insbesondere des subcutanen Venensystems, ist die Thermoregulation zur Konstanterhaltung der Körpertemperatur. Die besondere Bedeutung der wärmeabgebenden Venen als „Kühler“ bringt es mit sich, dass bei hohen Außentemperaturen der Blutdurchlauf und die Kontaktzeit größer als bei niedrigen sein müssen, um die gleiche Menge an Wärmeenergie abzugeben. Von ausschlaggebender Bedeutung für diese Anpassungsmechanismen ist hierbei die lokale Regulation und nicht etwa die zentrale Steuerung über das Stammhirn.
Verändern wir die Umgebungstemperatur z.B. durch ein Wasserbad, so hat dies ganz bestimmte hämodynamische Folgen – beim Gesunden wie beim Venenkranken. Lokale Abkühlung verringert das speicherbare Blutvolumen deutlich, während es unter Erwärmung entsprechend steigt.
Auch die Venenmuskeln pumpen in warmer Umgebung weniger Blut ab, was eine Erklärung für die an heißen Tagen häufig zu beobachtende Schwellneigung der Beine auch bei unauffälligen Drainageverhältnissen sein könnte. Unter Abkühlung indes steigt die Pumpleistung deutlich an, was auch für Patienten mit chronisch venöser Insuffizienz erwiesen ist.
Schon 2x5Minuten täglich Abduschen der Beine mit kaltem Leitungswasser zeigt nicht nur akut, sondern auch längerfristig eine deutliche Reduktion des pathologisch gesteigerten
speicherbaren Blutvolumens im Sinne eines Trainingseffektes! Auch die subjektive Symptomatik wird dadurch erheblich gebessert.

2) während der Reise:

  • Zehen- und Sprunggelenksübungen: Fußwippen, isometrische Spannungsübungen
  • Auf- und Abgehen
  • Dehn-und Streckübungen
  • Atemübungen
  • Kompressionsstrümpfe Klasse 1-2
  • kalte Packungen
  • Flüssigkeitszufuhr mindestens 1 Liter/5 Stunden (geringe Kabinenluftfeuchtigkeit; keine alkoholischen Getränke – führen wieder zur Dehydratation!) Wichtig
  • Änderung der Flugzeugsitze: – zu tief – Becken nach hinten gekippt –
  • a) Rückenschmerzen – Ischialgie
  • b) Blähungen, Obstipation
  • c) Venenstau – Thrombose